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Sozialisierung ohne Kindergarten???

Zum Thema Kita/Kindergartenfrei gibt es ja so einige Vorurteile -  Erst heute wurde mir wieder eine dieser Fragen gestellt, die man als kindergartenfrei-lebender Mensch ja öfter gestellt bekommt: "Und wie macht ihr das dann bei euren beiden Kids mit der Sozialisierung?" So seltsam ich und die anderen Selbstbetreuer-Eltern diese Frage wohl finden, so absolut ernst ist sie von den anderen Eltern tatsächlich wirklich gemeint...Warum ist das eigentlich so? Warum zweifelt unsere Gesellschaft tatsächlich daran, dass ein Kind, ohne eine Betreuungseinrichtung zu besuchen, nicht ausreichend sozialisiert werden könnte? Wie ist denn dieses Denken entstanden, dass man dazu wirklich einen künstlich erschaffenen Raum mit lauter annähernd gleichaltrigen Kindern benötigt?

Und wie macht ihr das dann mit der Sozialisierung bei euren Kids?"

Ich hab mir mal die Mühe gemacht und den Begriff "Sozialisierung" gegoogelt.

Hier eine Begriffsdefinierung dazu:

  • Auch: Sozialisation
  • Definition: Bezeichnung für den Prozeß des Menschen, vor allem des Kindes, in das Normensystem der Gesellschaft hineinzuwachsen. Beispiel: Das Kind wird mit Sprache, Schrift, Zahlen sowie den typischen Verhaltensweisen (s. Verhalten) einer Gesellschaft vertraut gemacht und eignet sich diese an.

    S. und Erziehung sind in vielen Bereichen identisch bzw. überschneiden sich. Das Ergebnis der S. ist, daß soziale Normen selbstverständlich werden und sich der einzelne Mensch mit den gesellschaftlichen Institutionen identifiziert (s. Identifikation). Ziel der S. ist, daß äußere Anweisungen der Gesellschaft durch innere Kontrollen ersetzt werden und der Erwachsene sich an den Werten der Gesellschaft orientiert, so als ob diese seine eigenen Normen, Verhaltensstandards und Überzeugungen wären.

    Die primäre S. erfährt das Kind in seiner Familie, die sekundäre S. findet in der Schule statt, die tertiäre S. vor allem in Arbeit und Beruf.

Definition: Bezeichnung für den Prozeß des Menschen, vor allem des Kindes, in das Normensystem der Gesellschaft hineinzuwachsen. Beispiel: Das Kind wird mit Sprache, Schrift, Zahlen sowie den typischen Verhaltensweisen (s. Verhalten) einer Gesellschaft vertraut gemacht und eignet sich diese an.

Aber möchte ich denn, dass mein Kind in das "Normensystem der Gesellschaft" hineinwächst?

 

Sprache, Schrift sowie Zahlen soll es natürlich lernen - zu einem Zeitpunkt, den das Kind von sich aus wählt, nämlich dann wenn es bereit dafür ist. Aber braucht mein Kind die typischen Verhaltensweisen einer Gesellschaft? Da denkt man jetzt vielleicht zunächst an höfliche Umgangsformen wie "Bitte" und "Danke " "Guten Tag" und "Auf Wiedersehen" - all diese Wörter fördern natürlich das Miteinander in einer Gemeinschaft,  aber um diese und deren Bedeutung zu lernen, benötigt man allerdings keine Betreuungseinrichtung. Und ich erziehe sie meinen Kindern auch nicht an, ich bestehe nicht auf ein "Bitte" oder "Danke" - wenn meinen Kindern etwas geschenkt wird, bedanke ich mich an ihrer Stelle. Wir Eltern leben es unseren Kindern also einfach "nur" vor und sie lernen solche Umgangsformen auch im Umgang mit anderen Menschen. Und andere Menschen, die sogenannten "sozialen Kontakte" treffen wir und unsere Kinder auch im normalen Alltag, außerhalb einer Betreuungseinrichtung. Die sozialen Kontakte, das sind schließlich alle Kontakte, also Mama, Papa, Geschwisterkinder, Familienangehörige aber auch Freunde, Nachbarn, der Postbote, die Verkäuferin im Supermarkt, andere Kinder auf dem Spielplatz.

 

Mir ist es wichtig, dass wir mindestens einmal in der Woche andere Kinder treffen zum Spielen & andere Mamis zum Austausch. Deshalb habe ich eine Mutterkindgruppe gegründet und nun kommen uns einmal wöchentlich einige andere Mamis mit ihren Kindern besuchen. Ab und an kommt auch so mal Besuch, mit und auch ohne Kind. Und ich habe eine Kindergartenfrei-Facebook-Gruppe für meine Region gegründet, aus der vielleicht auch das ein oder andere Treffen entsteht.

 

Emma ist nun fast 3 Jahre alt, sie bittet und dankt schon ganz viel. Manchmal bedankt sie sich sogar für absolut selbstverständliche Dinge oder für etwas, von dem ich selbst garnicht weiß, was sie meint. Wenn sie möchte, dass ich ihr einen Apfel gebe, sagt sie meist auch bitte dazu, obwohl sie ihn auch so bekäme. Das ist ein Zeichen für mich, dass es offensichtlich funktioniert, nur rein durch unser Vorbild, ganz ohne klassische Erziehung alla "Sag bitte, sag danke, Gib die Hand".

Wenn sich jemand verletzt, ich, ihr Bruder oder auch ein anderes Kind in der Mutterkindgruppe, dann ist Emma sehr mitfühlend und fragt "gehts?" und später "schon besser?" und tröstet und streichelt. Und während neulich im Babyplanschbecken die anderen Kinder uns ständig unser mitgebrachtes Spielzeug entführen wollten (Meine Kinder müssen nicht teilen, wenn sie es nicht möchten aber ich bringe ihnen auch bei, nicht das Spielzeug anderer Kinder zu nehmen) fand Nik es wichtiger, anderen Kindern ihr Spielzeug hinterher zu tragen, um es ihnen wieder zu geben. Es sind so viele kleine Beobachtungen, die ich mache, bei denen ich mir denke "Aha, meine Kinder werden also tatsächlich auch gesellschaftsfähig und sozialisieren sich - ganz ohne Fremdbetreuung"

 

Kinder beobachten unsere Handlungen und unser Verhalten, imitieren und übernehmen es dann. Ich denke also ,dass sie zuhause im Alltag mindestens genau so viele Möglichkeiten haben, ihre Eltern und auch andere Menschen in bestimmten Situationen zu beobachten und daraus zu lernen, um sich zu "sozialisieren", wie in einer Betreuungseinrichtung.

 

Nur wünsche ich mir ohnehin nicht für meine Kinder, dass sie alle Verhaltensweisen und Normen aus der Gesellschaft einfach so übernehmen und sich damit identifizieren, ohne sie zu hinterfragen.

Ich wundere mich aber tatsächlich, warum unsere Gesellschaft eine ausreichende Sozialisierung unserer Kinder zuhause im ganz normalen Alltag tatsächlich in Frage stellt, aber umgekehrt sich niemand Sorgen macht um die Sozialisierung des Kindes in einer Betreuungseinrichtung?

 

Nina vom Blog NatUrvertrauen schrieb dazu vor einigen Tagen einen so tollen Artikel, der sich auch genau damit beschäftigt, was mit Kindern passiert, die zu früh fremd betreut werden und deswegen hab ich bei ihr angefragt, ob ich ihren Artikel hier kurz zitieren und darauf verlinken darf (und sie hat JA gesagt- ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle)

Nina von NatUrvertrauen schreibt in ihrem Artikel:" Psychotherapeuten, Ärzte und Forscher sind sich einig: Kinder brauchen die ständige Anwesenheit der Mutter. In der Bindungsforschung ist schon lange klar, dass die Mutter – Kind Bindung, hingegen landläufiger Meinung, unersetzbar ist um ein optimales Gedeihen und die psychische Gesundheit eines Kindes sicher zu stellen. Dr. med. Karl Heinz Brisch, John Bowlby, Jean Liedloff und Prof. Dr. Gerald Hüther sind wohl die bekanntesten Namen derer, die sich diesem Thema widmen."

Es ist ganz toll, dass es mittlerweile ein Netzwerk gibt wie z.B. kindergartenfrei.org, auf der Selbtsbetreuer sich sogar in einer Karte eintragen lassen können, um sich zu vernetzen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Sandra (Montag, 21 Mai 2018 16:11)

    Danke, du sprichst mir aus der Seele! Man wird nur allzu oft schief angeschaut, wenn man sein Kind nicht nach einem halben Jahr in die Kita steckt...