Die Psyche

Dieses Mal hatte es auch mich erwischt - beginnende postpartale Depression - was nach der ersten Geburt damals nur ein bisschen Rührseligkeit war, war diesmal doch eine sehr schwere Zeit für uns alle.

Die ersten zwei Tage war noch alles gut...Dann kam der Hormonabfall - der ungeplante Milcheinschuss (weil ich nur eine statt 2 Abstilltabletten nehmen konnte, die Hebamme mehrmals das Rezept vergaß und es letztendendes zu spät war, als ich die Zweite noch einehmen konnte).

In diesem Moment des frühen Wochenbettes ist eine Frau eh schon super empfindlich und braucht nichts als absolute Ruhe & Harmonie, Frieden & Liebe - doch leider war die Situation in diesen Tagen alles andere als das.

 

Denn obwohl wir es diesesmal sogar ankündigten, erstmal vielleicht garkeinen Besuch zu wollen - wurde es nicht respektiert und erstrecht nicht verstanden, gleich von mehreren Seiten kamen Vorwürfe und mal wieder gewisse Erwartungen, die wir nicht erfüllen wollten.

Doch die Tatsache, dass dies auch noch in Frage gestellt wurde, dass sich andere durch UNS verletzt fühlten und sich in der Opferrolle sahen (WIR waren im frühen Wochenbett, WIR haben gerade ein Baby bekommen, nicht die anderen - es ist UNSERE Familie) machte mich unwahrscheinlich traurig und sooo verdammt wütend. Dass ich deshalb nicht meine kleine Familie genießen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte -  sondern soviele Tränen vergießen musste und Gedanken an andere Dinge verschwenden - und dass ich mich auch noch rechtfertigen musste, mehrmals - nur für den einfachen Wunsch, dass WIR entscheiden wann wer zu Besuch kommt etc. - lässt mir leider bis heute, zweieinhalb Monate danach keine Ruhe.

 

Weder zu unserer Verlobung, noch zu unserer Hochzeit, noch in den ersten Monaten mit unserer Tochter konnten wir uns einfach nur ungetrübt freuen - denn immer gab es Menschen, die es einfach akzeptieren konnten oder wollten, dass es UNSER Leben ist, dass es UNSERE Entscheidungen sind, UNSERE Art, unsere Kinder groß zu ziehen...Eigentlich hätten wir es wissen sollen, warum sollte es dieses Mal anders laufen - aber dass es diesmal sogar im Wochenbett sein musste, dachte ich nicht. Sicherlich war das nicht allein Schuld an meinen Gefühlen, aber es verstärkte den normalen Babyblues ziemlich und brachte das ganze mehr in die negative Richtung.

 

So habe ich einige Tage lang nur geweint - hatte starke Schmerzen durch den ungewollten Milcheinschuss von der Brust bis über den Hals zu den Zähnen. Wenn eins der Kinder weinte, wurde es noch schlimmer. Ich weinte und weinte, wusste oft nicht einmal warum, ich hatte das Gefühl, es hört einfach nie nie auf - es war schrecklich, ich dachte ich gehe durch die Hölle...Mein Schatz, der sich so toll um den Haushalt kümmerte, war den ganzen Tag mit den Kindern und der Wäsche etc. beschäftigt, zudem mit Elterngeldantrag und Co. - er war zuhause und doch fehlte er mir schrecklich in diesen Tagen. Ich saß eigentlich nur auf der Couch, mit meinem Niklaus - doch je näher ich ihn bei mir hatte, zum Beispiel zum Bonding Haut auf Haut, umso mehr schoss die Milch ein und ich hatte Schmerzen...

Ich weinte über alles, sogar wenn Emma neue Sachen lernte, ein paar Schritte machte...

Ich weinte über den leeren Bauch...

 

In dieser Zeit beschloss ich, dass ich eine Therapie machen werde, wegen der Menschen, die mich so traurig und wütend machten - um endlich solche Dinge nicht mehr an uns ranlassen zu müssen. Als ich dass erwähnte, wurde es mir dringend ans Herz gelegt, aber meinetwegen, denn ich bin ja diejenige, die nicht "normal" ist....Schließlich ist es "normal" dass man jeden sofort zu informieren hat, am besten noch während der Geburt. Es ist "normal" dass man dieses Glück teilen möchte, dass man stolz ist sein Baby jedem zu präsentieren. Außerdem bleibt der Besuch ja nicht lange - "nur 5 Minuten - den "kleinen neuen Erdenbürger" begrüßen (Dieses Wort können wir nicht mehr hören!) - is doch nicht schlimm???Ist doch alles ganz normal, macht man halt so und wenn nicht ist man unnormal!

Ich habe soviel Wut in mir, die ich nicht haben möchte - ich möchte absolut keinen Gedanken an diese Dinge verschwenden und muss es doch immer wieder tun - mal sehen ob ich die Zeit und Lust für Therapiebesuche aufbringen kann - nur weil ich nicht "normal" bin.

 

Wer das alles nicht erlebt hat, kann es vielleicht nicht nachvollziehen - aber da ich schon einmal früher mit Depressionen zu kämpfen hatte, kann ich sagen - es ist wie eine normale Depression - nur alles auf einmal geballt in wenigen Tagen, es ist wie eine Faust mitten ins Gesicht - immer und immer wieder....

Ich bin froh, denn es war nach einigen Tagen vorbei, es bleibt nur die Erinnerung und ich hatte zu keiner Zeit das Gefühl, ich könnte mein Baby nicht lieb haben oder dergleichen, ich hatte Glück denn es ging bei uns wieder schnell vorbei, andere Frauen kämpfen damit noch viel länger oder es beginnt erst nach dem Wochenbett...

 

Und genau aufgrund unserer Erfahrungen in diesen Tagen möchte ich besonders an die Verwandten, Freunde und Bekannten von werdenden Eltern appellieren - habt absolut KEINE Erwartungen - strahlt Harmonie aus, seid nicht aufdringlich, seid verständnisvoll -  es gibt Eltern, die wollen unbedingt sofort und gern und viel Besuch, sie werden sich bei euch melden und euch einladen, zu kommen. Vor allem, kommt nicht ungefragt einfach vorbei! Wenn ihr helfen möchtet, bietet eure Hilfe an in Form von Essen kochen und vorbeibringen (evtl. auch nur vor die türe stellen) - Geschwisterkinder beaufsichtigen und bespaßen (wenn erwünscht) oder Haushalt, Wäsche, Einkauf machen ABER alles OHNE jegliche Erwartungen, das Baby sehen zu dürfen oder gar halten zu dürfen. Denn das entscheiden NUR die Eltern und es wird ihnen leichter fallen, desto mehr man Ihnen ein absolutes harmonisches Gefühl gibt!!!

Es gibt werdenende Eltern, die möchten lieber erstmal Ruhe, dass neue Baby genießen, es ankommen lassen, es kennen lernen. Vielleicht sieht es in manchen Mamis (und auch Papis) nicht sooo toll aus, vielleicht kämpfen sie auch mit dem Milcheinschuss, mit den Hormonen, mit dem Babyblues - gerade auch bei Müttern, die sich fürs Stillen entscheiden, ist diese anfängliche Zeit soo wichtig, denn das Stillen muss sich erst Einspielen - da wirken viele Besuche, neue Eindrücke, neue Gesichter, neue Gerüche sicherlich nicht fördernd, aber auch Babys, deren Mamis nicht stillen können oder wollen (so wie ich) brauchen absolute Ruhe und eine glückliche entspannte Mami!